Feiertag für Lesben und Schwule: Der CSD

Es gab eine Zeit, in der gab es Jungen und Mädchen. Die Jungen wuchsen zu Männern heran, die sich, nachdem sie sich die Hörner abgestoßen hatten, eines der Mädchen, die inzwischen Frauen waren, zur Gattin nahmen. Männer, die nicht auf Frauen, sondern auf andere Männer standen, mussten ihrer Leidenschaft im Geheimen nachgehen, genauso wie Frauen, die es zum eigenen Geschlecht hinzog. Denn Homosexualität galt als Verbrechen, das geahndet wurde. Ein ganzer Kerl, der sich im falschen Körper gefangen fühlte und lieber ganz Frau sein wollte? Indiskutabel. Ein bemitleidenswerter Freak in den Augen der Gesellschaft. Eine Frau, die Sex ablehnte, die, wie wir es heute nennen, asexuell war? Nichts als eine frigide Pute, die sich mal bitte nicht so anstellen sollte.

Diese Zeiten sind vorbei. Endlich und zum Glück. Und genau das wurde beim diesjährigen Christopher Street Day in Köln mit Pauken, Trompeten und extra viel Frivolität gefeiert. Bunte Wagen mit noch bunteren Akteuren darauf demonstrierten für bessere Lebensbedingungen für Schwule, Lesben, für Bi-, Trans- und Asexuelle, für Toleranz und Gleichheit. Wie auch schon in den Jahren zuvor zogen wieder einmal die wildesten Paradiesvögel durch Kölns Innenstadt: Glitzer-bunte Drag-Queens, sexy SM-Fans in Lack, Leder und Gummi, geile gleichgeschlechtliche Paare, die sich heute eben nicht mehr verstecken, sondern zu ihrer Liebe stehen. Dazu überall Pink, viel nackte Haut und die Farben der Regenbogenflagge, dem Zeichen der schwul-lesbischen Gemeinschaft. Übrigens wurde die Regenbogenflagge sogar am Rathaus gehisst – ein klares Zeichen dafür, dass die ohnehin als „Homo-Metropole“ bekannte Stadt Köln sich zu Offenheit und Akzeptanz sämtlichen sexuellen Gruppierungen gegenüber bekennt. Ein bewundernswertes Statement!

Doch wann genau fing das mit dem Christopher Street Day, kurz CSD, eigentlich an? Am 28. Juni 1969. An diesem Tag lehnten sich in der Christopher Street in New York erstmals Homosexuelle gegen Polizei-Willkür und staatliche Gewalt gegen sexuelle Minderheiten auf, denn Schwule und Lesben waren zur damaligen Zeit immer wieder beliebtes Ziel von zum Teil gewaltsamer Diskriminierung. Ein Aufstand, der zu tagelangen Straßenschlachten zwischen Polizei und den homosexuellen Bewohnern New Yorks führte.

csd2

Damit dieses bemerkenswerte Ereignis nicht in Vergessenheit geriet, wurden in einigen Ländern, darunter auch in Deutschland, bereits in den 1970er Jahren Straßenumzüge und Kundgebungen veranstaltet, um der damals noch extrem homophoben Gesellschaft zuzurufen: „Es gibt uns, die Schwulen und Lesben, hört auf, uns zu ignorieren oder uns gar für unser Anderssein zu bestrafen!“ Diese Veranstaltungen, damals schon unter dem Kürzel CSD für „Christopher Street Day“ bekannt, lockten immer mehr Sympathisanten und Gleichgesinnte an – aus einem kleinen Event für eine nicht zu beachtende Randgruppe, wurde eines der wichtigsten Ereignisse der schwul-lesbischen Kultur.

Heute ist der CSD in Köln Teil der ColognePride, einer Art Rahmenprogramm, das 14 Tage andauert und das die Rechte, Ängste und noch immer andauernde Diskriminierung schwuler, lesbischer, bi- und transsexueller Mitbürger ansprechen möchte. Im Rahmen der ColognePride werden Workshops veranstaltet, außerdem Lesungen, Diskussionsrunden und Info-Events, die in jedem Jahr unter einem anderen Motto stehen. In diesem Jahr lautete das Motto „Homophobie und Transphobie in Schule und Ausbildung.“ Denn man möchte, so die Veranstalter der ColognePride, auf die Probleme von Schülern, Azubis, Studenten, Lehrern und Ausbildern hinweisen, deren Sexualität eben nicht dem heterosexuellen Lehrbuch entstammt. Das Highlight jeder ColognePride ist aber stets der CSD, diese Mischung aus heißer Party und ernsthafter politischer Demonstration, die in Köln so normal und beliebt ist wie das abendliche Feierabend-Kölsch.

Warum aber ausgerechnet Köln? Was macht diese Stadt so attraktiv für Homo-, Bi- und Transsexuelle aus ganz Deutschland, ach was, aus ganz Europa? Nun, eine allgemeingültige, objektive Antwort auf diese Frage gibt es nicht. Doch kann ich Euch gerne meine persönlichen Eindrücke schildern. Die Stadt Köln und ihre Einwohner sind etwas Besonderes. Vor allem die Kölner sind weltoffen, tolerant und nehmen nicht alles so bierernst, wie ich es zum Beispiel aus meiner westfälischen Heimatstadt gewohnt bin. Hier darf man anders sein, bunter, lauter, verrückter. Vielleicht war das der ursprüngliche Grund, warum sich in „Kölle“ schon immer mehr homosexuelle Menschen geoutet haben als zum Beispiel im erzkonservativen München oder im – von der Grundstimmung her – eher grummeligen Castrop-Rauxel.

Heute dürfte aber auch die ausgeprägte schwul-lesbische Ausgeh- und Kulturszene den wichtigsten Grund dafür darstellen, warum Köln als „Schulen-Hauptstadt“ gilt. Neben zahlreichen schwul-lesbischen Bars, Clubs, Cafés, Kneipen und natürlich dem CSD, gibt es inzwischen sogar ein schwules Oktoberfest, einen Homo-Weihnachtsmarkt und Gay-Flohmärkte! Schwule und lesbische Paare gehören in Köln zum Alltag, kein Wunder, leben in der Stadt am Rhein doch an die 100.000 Schwule und Lesben. Köln, du bist ein klasse Vorbild!

Da wir gerade von Vorbildern sprechen – Deutschland sollte sich dringend ein Beispiel an den USA nehmen. Hier sprach erst vor kurzem der Supreme Court, der Oberste Gerichtshof der Vereinigten Staaten von Amerika, homosexuellen Paaren dasselbe Recht auf Eheschließung zu wie heterosexuellen Pärchen. Die Homo-Ehe ist in den USA also nun legal. Anders in Deutschland, das sich sonst so fortschrittlich wähnt. Aber Moment mal, auch in Deutschland gibt es doch die Homo-Ehe, oder nicht? Nun, das ist nicht ganz richtig. Zwar können in Deutschland homosexuelle Paare eine „Eingetragene Lebenspartnerschaft“ begründen, doch ist dieses rechtliche Konstrukt von der Ehe zwischen heterosexuellen Menschen und den damit verbundenen Rechten so weit entfernt wie ich davon, endlich brav und anständig zu werden. So gibt es für die „Homo-Ehe“ in Deutschland zum Beispiel keinen verfassungsrechtlichen Schutz, dafür aber Einschränkungen im Adoptionsrecht. Die Verbindung schwuler und lesbischer Paare ist hierzulande nicht mal eine Ehe zweiter Klasse – sie ist gar keine.

Uff, so viele Infos auf einmal. Aber ich denke, dass wir die Situation unserer schwulen, lesbischen, bi- und transsexuellen Mitbürger, Freunde und Familienmitglieder unbedingt stärker in den Fokus der Öffentlichkeit rücken müssen. Es sollte zum Beispiel für junge Menschen kein Problem mehr sein, sich zu outen. Es sollte Transsexuellen erleichtert werden, über Ängste, Wünsche und Bedürfnisse zu sprechen. Überhaupt sollte unsere Sexualität etwas sein, das nur uns selbst etwas angeht, nicht aber einen Staat, der die unter uns in ihren Rechten beschneidet, die nun einmal anders sind als der Durchschnitt.

Anderssein ist gut. Und wir sollten lernen, diese Vielfalt zu schätzen.