Das Bondage-Interview: „Doggy Style und Bondage kombiniert – ein Traum!“

Bondage ist eine Kunst, ein Handwerk, das von seinen Anhängern erlernt werden muss – von Riggern, den aktiven „Seilakrobaten“ also, als auch von den Subs oder „Bunnys“, denjenigen, die sich fesseln lassen. Maria möchte beide Seiten kennenlernen. Die 29-jährige Berlinerin lernt seit einiger Zeit, auf was es beim Bondage alles ankommt und ist mit Lust dabei, andere zu fesseln und sich selbst fallen zu lassen.

Liebe Maria. Warum Bondage?

Maria: Am Bondage reizt mich das Körperliche und Ästhetische gleichermaßen. Das Anlegen der Seile stellt eine tiefe und erotische Verbindung zum Gegenüber her, egal, ob die Fesselung eine eher kunstvolle oder zweckmäßige Komponente hat. So vielseitig Bondage und die Verwendung von Seilen ist, so viele verschiedene Reize gibt es für jeden einzelnen Menschen, Bondage zu praktizieren. Sei es die Wehrlosigkeit und das Ausgeliefertsein, das Gefühl, die Verantwortung abzugeben und sich fallen zulassen, das Fehlen jeglicher Bewegungsfreiheit, das intensive Gefühl, den Körper wieder bewusst wahrzunehmen, die Symmetrie, Perfektion und Konzentration, das Erwecken neuer Fantasien oder einfach nur der Reiz, im Mittelpunkt des Geschehens zu stehen. Und das sind nur einige Beispiele. Fragt man hundert Personen nach ihren Beweggründen, so bekommt man wahrscheinlich auch hundert Antworten. Aber eins kann ich mit Gewissheit sagen: Seile sind schöner als alle Fesseln und Handschellen aus billigen Onlineshops. Man erschafft einzigartige Kunstwerke. Es ist Körperkunst zum Spielen.

Warst du vorher schon in der BDSM-Szene umtriebig oder bist du ganz jungfräulich in das alles hineingeschlittert?

Maria: Ich bin, wie so oft in meinem Leben schon, eher durch Zufall zu dem Thema Bondage gekommen. Ein Freund von mir nahm mich zu einer Bondage Session mit. Witzigerweise habe ich das Facebook zu verdanken und einem Like, den ich zu einer Veranstaltung gegeben hatte. Jeder Rigger, das sind die Fesselkünstler, hatte bei dieser Bondage Session seine eigene Technik entwickelt, und jeder ging anders an das Thema heran. Ich wusste gar nicht, wo ich zuerst hinschauen sollte und fand das alles sehr aufregend – warum, wusste ich zu diesem Zeitpunkt allerdings noch nicht. Vorher hatte ich mit BDSM wenig am Hut. In meinem Repertoire befanden sich maximal die Hausfrauenklassiker, wie zum Beispiel mit Handschellen ans Bett gefesselt zu werden.

Ich weiß aus unseren Vorgesprächen, dass du beide Seiten der Medaille kennenlernen möchtest – die des aktiven sowie des passiven Parts. Warum diese doppelte Anstrengung, warum nicht auf eine Position konzentrieren?

Maria: Als Anstrengung würde ich das gar nicht bezeichnen. Grundsätzlich sollte jeder, der fesselt, auch mal die andere Seite kennengelernt haben. Das ist wie mit dem Fotografieren. Jeder Fotograf sollte auch mal vor der Kamera gestanden haben, um zu wissen, wie es sich anfühlt und um sich besser in die Lage des anderen hinein versetzen zu können. Ich habe als passiver Part angefangen und das etwa ein Jahr betrieben, ohne auch nur ansatzweise daran zu denken, mal zu switchen. Einzig und allein aus Angst vor dem technischen Part. So viele Knoten, so viele Möglichkeiten, etwas falsch zu machen. Irgendwann gönnte ich mir einen Workshop, und siehe da, es ist gar nicht so schwierig, wie anfangs gedacht. Und es macht unheimlich viel Spaß!

Was bereitet dir mehr Vergnügen – fesseln oder gefesselt werden? Und was passiert in den jeweiligen Momenten mit dir?

Maria: Ich leide an einer Konzentrationsschwäche, ich kann mich nie lange auf etwas konzentrieren. Buchseiten lese ich oft zweimal, weil meine Gedanken sich wieder irgendwo anders hin verschlagen haben. Das Gefesseltwerden hilft mir dabei, meinen Kopf etwas auszuschalten, sofern er denn möchte. Gedanken kreisen dennoch oft dabei, aber weniger als sonst, und das ist in meinem Fall schon mal viel wert. Dem Alltag entfliehen, sich fallen lassen und im wahrsten Sinne des Wortes einfach mal „abzuhängen“. Ein unglaublich schönes Gefühl. Andere machen Yoga, ich mache Bondage. Der aktive Part verlangt von mir, mich voll und ganz auf die andere Person zu konzentrieren. Und zwar durchgängig, denn es „hängen“ ja immerhin Menschenleben daran. Mache ich einen Fehler, könnte das erhebliche Auswirkungen haben.  Außerdem mag ich das Gefühl, dass mir jemand vollends vertraut, und ich liebe die Reaktionen, die ich mit meinen Fesselungen beim anderen hervorrufe.

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Fotos (2): BoundToBond.com

Bondage ist eine sehr körperintensive Form der Erotik. Wann immer ich Bondagefotos oder Filme sehe, in denen Subs zu den kunstvollsten „Paketen“ verschnürt sind, denke ich: „Aua! Wie, bitte, geht das? Denen muss doch alles wehtun!“ Ist dem tatsächlich so? 

Maria: Es ist oder vielmehr sollte ein angenehmer und schöner Schmerz sein. Grundsätzlich kommt es aber auf die Fesselung an. Bei vielen Fesselungen tut überhaupt nichts weh. Bei Fesselungen auf dem Boden zum Beispiel schmiegen sich die Seile eher an den Körper, als großen Druck auszuüben. Man fügt sich den Seilen. Bei Hängebondage kann es da schon schmerzhafter werden. Allerdings werden dort auch so viele Endorphine ausgeschüttet, das Bondage zu einer Sucht werden kann. Ist der Schmerz allerdings so unerträglich, liegt der Fehler wohl an der Fesselung. Fehlerquellen können unter anderem eingeklemmte Haut, verdrehte oder verrutschte Seile sein oder dass die Fesselung eventuell auf einem Nerv liegt. Das sollte man selbstverständlich verhindern. Eine gut gemachte Bondage sollte also für beide Parteien gleichermaßen eine schöne Erfahrung sein.

Wie bereitest du dich auf eine Session vor? Sport, Dehnübungen, Meditation?

Maria: Sport oder dergleichen mache ich gar nicht. Es kam deshalb schon oft vor, dass ich am nächsten Tag Muskelkater hatte, weil ich Partien an meinem Körper anspanne, die ich sonst im Alltag nie gebrauche. Ob jemand jetzt Dehnübungen oder Meditation vor einer Session braucht, ist jedem selbst überlassen. Meditation würde dem Fallenlassen auf jeden Fall zu Gute kommen.

Du sagtest, dass der Schmerz nie unangenehm sein sollte. Dennoch frage ich mich: Ist es nicht schmerzhaft, wenn die Seile in deine Haut einschneiden? Und gibt es Tricks, die den schlimmsten Schmerz verhindern? Oder geht es dir unter anderem auch um genau dieses Gefühl auf der Haut? Vielleicht sogar um die Spuren als eine Art Trophäe?

Maria: Sprecht mit dem Rigger! Tut etwas zu sehr weh, kann er das meistens durch Entlasten der Seile oder einer Veränderung der Fesselung korrigieren. Allerdings sollte ein guter Rigger das schon an den Reaktionen des anderen sehen und gegebenenfalls nachfragen. Die Abdrücke der Seile auf der Haut heißen Rope Marks, und ich liebe sie! Wenn ich so darüber nachdenke, habe ich noch nie jemanden getroffen, der Rope Marks nicht mag. Man ist irgendwie stolz darauf und traurig, weil sie wieder viel zu schnell verschwinden. Trophäe passt also ganz gut.

Ist bei deinen Bondage Sessions schon mal etwas passiert, das nicht hätte passieren sollen?

Maria: Nein, zum Glück noch nicht. Und ich bete zum Seilgott, dass das auch so bleibt.

Wie hat es sich angefühlt, als du zum ersten Mal jemand anderen gefesselt hast? Hast du das unter Aufsicht gemacht, mit einem Bondage Meister an deiner Seite oder lief das in Eigenregie ab?

Maria: Das war in einem Workshop. Anfangs strahlte ich wohl völlige Verzweiflung aus, weil mal wieder nichts klappte und ich einfach nichts verstanden habe. Hängt die Person aber das erste Mal, ist man so unglaublich stolz. Ich habe sofort mein Handy gezückt und ein Erinnerungsfoto gemacht. Vom Krabbeln zum ersten Schritt, Mutti wäre stolz auf mich, wenn sie das wüsste. Fesselungen auf dem Boden kann man jederzeit ohne Aufsicht zu Hause üben. Bei Hängebondage sollten auf jeden Fall erfahrene Personen anwesend sein. Schon alleine, um im Notfall einschreiten zu können.

Wie erlernt man als Neuling die Kunst des Fesselns, wenn man nicht gerade in der Nähe eines Bondageexperten wohnt? Aus Büchern? Gehst du in einem Studio in eine Art Lehre? Und wie lange dauert es durchschnittlich, bis man sein Handwerk sicher beherrscht?

Maria: Ich habe es anfangs mit Youtube-Tutorials versucht. Aber wenn man nicht regelmäßig üben und probieren kann, bringt das leider nicht viel. Ein paar Knotentechniken und Seilwindungen kann man sogar am eigenen Körper lernen. Wichtig ist nur, dass man immer fleißig bei der Sache ist und gerade am Anfang keine langen Pausen macht. Ich bin mit meinem Workshop immer noch nicht durch, nutze aber jede Gelegenheit, die sich ergibt, um zu üben und neue Sachen auszuprobieren. Wenn man die wichtigsten Knoten beherrscht, baut sich auf ihnen eigentlich alles auf. Lange dauert es also nicht, bis man die ersten guten Fesselungen hinbekommt.

Was ist deine liebste „Fesselung“? Was macht dich am meisten an? 

Maria: Da ich als passiver Part absolut auf Doggy Syle stehe, liebe ich auch automatisch alle Fesselungen, die in diese Richtung gehen und mich dahingehend bewegungsunfähig machen. Da springt sofort das Kopfkino an und malt sich aus was wohl als nächstes passiert. Wenn ich aktiv werde, mag ich es besonders, wenn jemand über mir hängt, während ich auf dem Boden liege und zuschauen kann, wie derjenige in eine leichte Trance verfällt. Ihn dann mit den Füßen oder einem Seilende anzuschubsen, damit er sich dreht und über mir hin und her schwingt. Ich mag das. Das ist mein Werk, der andere genießt es, und ich bin stolz, etwas erschaffen zu haben. Etwas Sexuelles gibt mir das Fesseln allerdings (noch) nicht. Vielleicht entwickelt es sich ja noch.

Dennoch hat Bondage ja für dich auch eine erotische Komponente, wie du vorher sagtest. Was macht dich mehr an – die passive oder aktive Position? 

Maria: Da muss ich gar nicht lange drüber nachdenken, eindeutig das Passive. Ich mag es, benutzt zu werden, mich hinzugeben und dass jemand in dem Moment Macht über meinen Körper hat. Dieses Wehrlos- und Ausgeliefertsein… ich glaube, da erfülle ich alle Klischees.

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Wo findest du deine Spielgefährten?

Maria: Ich bin in vielen Gruppen, Foren und auf Veranstaltungen unterwegs. Meist ergibt es sich von ganz allein. Falls ich nur etwas Neues üben möchte, frage ich Leute in meinem Freundeskreis. Es gibt aber  in allen größeren Städten auch Stammtische, zu denen man gehen kann.

Ist Bondage etwas, das du nur im privaten Rahmen erleben möchtest oder magst du auch den Gedanken, so fotografiert zu werden, dich vielleicht sogar anderen Leuten zu präsentieren, z.B. in einem Club?

Maria: Ich liebe Provokation. Ich lese Bondage- und SM-Bücher im Regio, während ich zur Arbeit fahre. Ich schaue mir gerne die Reaktionen meiner Mitmenschen an und habe schon einigen Männern den Kopf verdreht, weil sie sich den Buchtitel genauer anschauen wollten. Von abwertenden Reaktionen, bis überrascht und interessiert, ist alles dabei. Ich liebe es! In einem Club habe ich mal eine Frau gefesselt und zum „Spielen“ freigegeben, das war auch ganz spannend. Mir ist es egal, was andere Menschen über mich und meine Vorlieben denken. Ich gehe mit dem Thema ganz offen um und habe auch kein Problem mit Öffentlichkeit. Deswegen besuche ich auch regelmäßig Bondage Picnics, die in öffentlichen Parks stattfinden.

Kannst du dir ein (Sex-) Leben ohne Bondage vorstellen? 🙂

Maria: Um es mit den Worten von Fettes Brot zu sagen: Jein! Ein Leben ohne Bondage kann ich mir nicht mehr vorstellen, dafür macht es mir zu viel Spaß. Ein Sexleben ohne Bondage allerdings schon. Man findet auch selten jemanden, der es beherrscht, und soll ich jetzt so lange auf Sex verzichten? Ich denke nicht 😉 Ich liebe Sex, in jeglicher Hinsicht. Und ich liebe die verschiedenen Vorlieben anderer Menschen und tauche auch sehr gerne in ihre Welten ein. Ich verlange von niemandem, dass er mir zuliebe Bondage lernen muss. Wenn es aus freien Stücken kommt, würde ich mich natürlich nicht dagegen wehren 😉