Pick Up Artists: Manipulative Memmen?
Derzeit geistert ein Begriff durch die Medien, mit dem ich leider schon einmal persönliche Bekanntschaft machen musste – Pick Up Artists, kurz PUA genannt. Pick Up Artists sind Männer, die sich einer streng ausgeklügelten Strategie bedienen, um damit Frauen ins Bett zu bekommen. Ist doch legitim, findet ihr? Nein, das ist es ganz und gar nicht. Denn diesen Aufreißern geht es gar nicht mal um den Sex. Sondern um die Anzahl der Frauen, die sie ficken. Und es geht ihnen darum, die Frauen zu brechen.
In meinem Fall war es Benjamin, ein attraktiver Stuttgarter, den ich vor einigen Jahren über Facebook kennenlernte. Benjamin war anfangs ein unglaublich guter Zuhörer, und ich, die ich mich damals in einer schwierigen Lebensphase befand und deshalb ein wenig labil war, genoss seine Aufmerksamkeit nur zu gerne. Wir sprachen über unsere Gefühle, unsere Vergangenheit, Benjamin nannte mich Baby und machte mir süße Komplimente. „Komm mich am Wochenende besuchen“, schrieb er mir eine Woche nach unserem virtuellen Kennenlernen. Das fand ich zwar etwas überstürzt, aber warum nicht? Ich hatte doch nichts zu verlieren – dachte ich. Und so fuhr ich zu ihm.
Benjamin holte mich am Bahnhof ab – ein netter Typ, keine Schönheit wie Brad Pitt, aber sein Selbstvertrauen, die Art, wie er bestimmt nach meiner Hand griff, machte ihn unwiderstehlich. Kurz nachdem wir seine Wohnung betreten hatten, warf er mich auch schon auf sein Bett. „Das geht mir zu schnell“, flüsterte ich noch. Doch Benjamin ignorierte meine Bedenken, ließ seine Hand in meine Hose gleiten und raunte mir zu: „Du bist so ein süßes, kleines Mädchen. Ich passe auf dich auf, mach dir keine Sorgen mehr.“ Dann fickten wir.
Das, was in der Zeit nach unserem ersten Fick passierte, fasse ich für euch kurz zusammen: Benjamins Verhalten war für mich nicht mehr verständlich. Er wurde abweisend, wenn ich nicht so funktionierte, wie es ihm gefiel. Er schrie mich an, bis ich heulend auf dem Bett zusammenbrach. Dann wieder nahm er mich in den Arm, küsste mich zärtlich. Beleidigung folgte auf Kompliment, Ignoranz auf liebevolle Worte. Ich war verwirrt. Auch, als ich wieder zu Hause war, ging das Drama weiter, und ich verlor mit jedem Tag mehr Kraft und Selbstvertrauen. Und beinahe hätte Benjamin es geschafft, mich zu brechen. Doch ich zog rechtzeitig die Notbremse und verbannte ihn aus meinem Leben.
Heute weiß ich, dass Benjamin ein so genannter Pick Up Artist war – ein moderner Jäger, der Frauen emotional manipuliert, um sie gefügig zu machen.
Die Pick Up Artist Lehre verbreitet sich dank des Internets rasend schnell. Allein in Deutschland gibt es fünf PUA Communitys, die ihren Anhängern das angeblich nötige Wissen vermitteln, um möglichst viele Frauen zu „knacken“. Zudem gibt es Bücher und Seminare, die sich einer stetig wachsenden Beliebtheit erfreuen.
Doch wie funktioniert das Pick Up Artist Prinzip? Zunächst einmal teilen PUA die Attraktivität einer Frau auf einer Skala von 1 bis 10 ein, wobei nur „Achter“, „Neuner“ und „Zehner“ interessant und „fickbar“ sind. Diese Frauen sind die so genannten „Hot Babes“, die heißen Schnitten also. Dann beginnt die Jagd. Mit dem „Push and pull“-Prinzip (am besten lässt sich das wohl mit „Zuckerbrot und Peitsche“ übersetzen) versucht der PUA nun, die Frau mürbe zu machen. Das Vorgehen ist dabei dasselbe, wie es auch schon Benjamin vor Jahren bei mir angewendet hat – die Männer mischen Intimität und liebevolles Verhalten mit Demütigung und Herabwürdigung. So befindet sich die Frau schnell in der Opferrolle, und der PUA kann zuschlagen und die Beute erlegen. Und ficken.
Welche Männer werden zu Pick Up Artists? Da gibt es ganz unterschiedliche Typen. Der Psychologe Andreas Baranowski erklärt in einem Artikel auf FAZ.net: „Einige PUAs haben narzisstische Größenphantasien. Sie wurden als Kinder oder Jugendliche gedemütigt und wollen sich rächen.“ Doch auch ganz normale Männer, die schlichtweg unter Schüchternheit leiden oder schlechte Erfahrungen mit Frauen gemacht haben, nutzen die Lehren der PUA Bewegung, um mehr Erfolg bei der Damenwelt zu haben.
Das finde ich ja sogar noch in Ordnung – wenn das PUA System Männer ermutigt, aus ihrer vermeintlichen „Verlierer“-Rolle auszubrechen und es ihr Selbstbewusstsein stärkt, ist doch alles wunderbar. Aber wenn es darum geht, einem anderen Menschen bewusst zu schaden, dann ist das kein Spaß mehr.
Bewusst geschadet hat auch der höchst umstrittene Pick Up Artist Julien Blanc zahlreichen Frauen. Blanc ist das derzeit bekannteste Gesicht des US-Unternehmens Real Social Dynamics (RSD), das weltweit PUA Kurse anbietet, in denen Männern beigebracht werden soll, wie sie möglichst viele Frauen ficken können. In Blancs Seminaren geht es zudem jedoch zudem extrem frauenverachtend zu, hinzu kommt, dass Videos von ihm existieren, in denen er mit Vergewaltigungen und sexuellen Belästigungen prahlt. Blancs Kurse haben deshalb auch als „Vergewaltigungsseminare“ traurige Berühmtheit erlangt. Feministinnen und Anti-Blanc-Aktivisten versuchen daher weltweit, dem 25-Jährigen Einreise- beziehungsweise Besuchsverbot erteilen zu lassen. In Australien und Großbritannien hat das bisher geklappt.
Ich muss euch sagen, dass mich diese Aufreißer-Bewegung schockiert. Wir sind doch nicht mehr im Mittelalter! Und ganz ehrlich, ein Mann, der nicht in der Lage ist, eine starke, selbstbewusste Frau zu ficken und mit ihr auf Augenhöhe zu kommunizieren, der ist in meinen Augen nichts als ein armes, bemitleidenswertes Würstchen. In diesem Sinne – benehmt euch, Jungs. Wir wollen keine PUA-Würstchen. Sondern Männer, die uns wie Königinnen behandeln.