Fremdfick via Seitensprungagentur – geiler Kick oder unverzeihlich?

Von Katinka Sommerlatte

Seit einiger Zeit lebe ich in Berlin. Es gefällt mir wahnsinnig gut hier – die Atmosphäre der Stadt ist atemberaubend, alles hier erscheint mir so schnell, neu und cool. Clubs, Museen, Partys, kleine Cafés und riesige Flohmärkte, ich bin im Paradies. Obwohl, nein, doch nicht. Denn eine Sache stört mich an Berlin ungemein – jeder hier scheint seinem Partner fremdzugehen, fremdficken gehört hier offenbar zum guten Ton. Für mich, die ich noch mit alten Werten und dem Glauben an den einen, den richtigen Mann, den ich eines Tages heiraten werde, groß geworden bin, ist das ein Unding. Das erzählte ich auch meiner Mitbewohnerin Nancy.

„Warum machen die Leute das?“, fragte ich sie. „Weil sie es können.“ Nancy lachte.

„Aber haben die denn keine Angst, erwischt zu zu werden?“

„Quatsch! Dafür gibt es doch Seitensprungagenturen wie Ashley Madison, C-Date oder Meet2Cheat. Da bist du auf der sicheren Seite.“

Seitensprungagenturen? Da fällt mir ein alter TV-Spot ein, der vor vielen Jahren im Nachtprogramm lief und den ich stets belächelte. „Erlebnis18.de ist ein Treffpunkt im Internet für Frauen und Männer, die in einer Partnerschaft leben und auf der Suche nach einem erotischen Abenteuer sind.“ Ein lüsterner Mittvierziger legitimierte im Wechsel mit einer jungen Brünetten den Besuch der Seite Erlebnis18.de:
Er: „Beziehungen verändern sich im Laufe der Zeit…“
Sie: „… und sexuelle Bedürfnisse werden dabei oft vernachlässigt.“

Oh Mann. War diese bizarre Vision des organisierten Betruges denn tatsächlich Realität geworden?

„Ich finde das gar nicht so wild“, beschwichtigte Nancy mich da. „So ein Seitensprung kann der Beziehung richtig gut tun.“

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Naja, ich weiß ja nicht. Ich finde es ja schon schrecklich, wenn der sonst so brave Gatte seine Liebste im Suff auf der Kegeltour bescheißt. Doch sind solche Ausrutscher wenigstens ungeplant und daher eventuell noch einmal zu verzeihen. Wenn sich nun aber einer der Partner in vollem Bewusstsein bei einer Betrüger-Seite anmeldet, und seinen Seitensprung somit ganz genau plant, ist das wenigstens in meinen Augen unentschuldbar.

Seitensprungagenturen erscheinen mir als die so ziemlich schrecklichste Erfindung seit Lakritze und Fenchelbonbons. Und ich frage mich: Wenn sich doch schon jemand die Mühe macht, sich bei Ashley Madison und Konsorten anzumelden, Kohle zahlt, um mit potentiellen Fickbekanntschaften zu mailen, zu chatten, Infos auszutauschen und mich schließlich gar zu verabreden, warum nicht gleich noch den letzten Schritt gehen und den Partner verlassen? Denn wenn der Frust bereits so groß ist, dass man diesen Weg geht, scheint mir nichts mehr zu retten. Warum dann also nicht gleich die Beziehung beenden und sich guten Gewissens als Neu-Single zu Sexdates verabreden?

Oder ist es gerade das schlechte Gewissen, dass für viele einen Kick darstellt? Die Gefahr, erwischt zu werden? Sollte das der Fall sein, kann ich auch hier nur den Kopf schütteln. Habt ihr denn nur einmal an euren Lebensgefährten gedacht, ihr Seitenspringer? Daran, wie verletzt er oder sie wäre, wenn euer Betrug auffliegt?

Aber das sind nur meine zwei Cent zu dem Thema. Was denkt ihr darüber?

Für mich steht jedenfalls fest: Ich werde meinen Freund nicht bescheißen, nicht spontan im Cocktail-Rausch und auch nicht per Seitensprungagentur. Das kann in Berlin noch so hip sein, ich bleibe ein gutes Mädchen!